Canon EF vs RF
Mit den spiegellosen Systemkameras des R-Systems hat Canon ein neues Objektivbajonett eingeführt, den RF-Mount. Dieser ist im Durchmesser und Aufbau weitestgehend identisch mit dem EF-Mount der EOS Spiegelreflexkameras, der 1987 mit der ersten Canon EOS Kamera, der EOS 650 eingeführt wurde. Der Unterschied besteht in einem kürzeren Abstand zur Film/ Sensorebene (Auflagenmaß genannt). Ausserdem hat der neue Anschluss mehr elektrische Kontakte und kann angeblich schneller mit der Kamera kommunizieren.
Glücklicherweise unterstützen aber alle derzeit verfügbaren Canonen EOS R Kameras (R, RP, R5, R6) auch weiterhin nativ die Kommunikation mit den vorhandenen EF-Objektiven. Zum Ausgleich des unterschiedlichen Auflagenmasses ist deher bei Canon lediglich ein passiver Adapter notwendig. In meiner bisherigen Erfahrung mit meinen derzeit 11 Canon EF-Objektiven funktionieren diese adaptiert an meiner EOS R5 mindestens ebenso gut wie an meinen bisherigen DSLR-Gehäusen. Auch die Geschwindigkeit des Autofokus ist auf gleichem Niveau.
Warum schreibe ich das alles?
Nun, bei den Systemkameras aller Hersteller ist der Umstieg auf spiegellose Systeme im vollen Gange. Der Spiegel ist ein Auslaufmodell, auch wenn viele das nicht wahrhaben wollen. Bei den meisten Marken heisst es, auch alle Objektive zu ersetzen, wenn man maximale Leistung des Autofokus und ggf. auch der Bildstabilisierung haben möchte. Die verfügbaren Objektiv-Adapter sind z.B. bei Sony und Nikon nur Notlösungen mit eingeschränkten Funktionen.
Nicht so bei Canon: alle vorhanden EF-Objektive können ohne Einschränkungen verwendet werden (ein paar uralte Exoten einmal ausgenommen). Sie gewinnen sogar teilweise an Leistungsfähigkeit, so kann ich mein geliebtes EF 85 f/1.2L II und mein EF 100 F/2.8 Macro nun an meiner R5 dank des integrierten IBIS stabilisiert nutzen.
Ausserdem erlaubt der geniale Drop-In Mount Adapter auch die Verwendung von Grau- / ND- oder Polfiltern hinter dem Objektiv, so dass ich beide Filter nun auch z.B. mit meinem TS-E 17mm und dem Samyang 14mm f/2.8 verwenden kann.
Hinzu kommt noch, dass die den EF-Versionen entsprechenden Objektiv-Pendants im RF-System im Vergleich aktuell noch ein mehrfaches kosten (sie sind unbestritten aber auch oft noch etwas besser) und viele Brennweitenbereiche auch noch nicht abgedeckt sind.
Aber offenbar hat sich noch nicht bei allen herumgesprochen, dass die „alten“ EF-Objektive weiterhin gut verwendbar sind. Das führt dazu, dass viele beim Umstieg auf das R-System ihre alten „Objektiv-Schätzchen“ verkaufen. Daher sind derzeit sehr viele EF-Objektive zu sehr günstigen Preisen auf dem Gebrauchtmarkt verfügbar. So habe ich vor kurzem bereits ein EF 24-70 f/2.8L II USM gebraucht erworben, von dessen Leistung ich weiterhin begeistert bin. Es ist aktuell mein „Immerdrauf“, wenn ich unterwegs bin.
Nun bin ich neulich über ein Angebot für ein gebrauchtes EF 100-400 f/4.5-5.6L IS II USM* in gutem Zustand gestolpert, das ich auch wieder nicht ausschlagen konnte. Das Objektiv wird auch immer wieder gebraucht z.B. bei eBay* angeboten.
Das Canon EF 100-400 f/4.5-5.6L IS II USM
Das Objektiv ist vom Aufbau am ehesten vergleichbar mit dem Canon RF 100-500mm F4.5-7.1 L IS USM. Der mechanische Aufbau beider Objektive ist sehr ähnlich, die Fertigungsqualität ist erstklassig, das RF bietet allerdings 100mm mehr Brennweite, dann aber lediglich bei einer Offenblende von 7.1. Allerdings kostet das RF das dreifache dessen, was ich für das EF gezahlt habe. Optisch bis 400mm sind beide Objektive vergleichbar extrem gut. Auch mit Extender ist das EF noch gut einsetzbar, wie das folgende Beispiel zeigt:

Da ich ja bereits den Brennweitenbereich von 100-400mm mit meinem Sigma 60-600mm f/4.5-6.3 DG OS HSM Sports und meinem 400mm f/2.8L IS II USM gut abdecke, habe ich lange überlegt, ob das 100-400 Sinn macht. Der Preis war dann aber zu gut um ihn auszuschlagen.
Der Vorteil des 100-400 liegt naturgemäß im deutlich geringeren Gewicht (1.590g) im Vergleich zum Sigma (2.700g) und der geringeren Größe. Im Bereich 100-400mm ist das Canon zudem optisch noch besser als das Sigma, was beim 10fach Zoom-Bereich des Sigmas auch nicht verwundert. Wobei ich mit dem Sigma durchaus bisher zufrieden war:

Ab 401mm ist aber wohl das Sigma im Vorteil, obwohl.…
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Ein erster Test
Nun habe ich das Canon EF 100-400 f/4.5-5.6L IS II USM erhalten und es kurz in unserem Garten mit der lokalen Vogelwelt getestet. Wegen des schlechten Wetters war das auch sofort ein echter Härtetest. Ich musste den ISO Wert teilweise auf 3.200 bis 4.000 hochsetzen. Ich habe daher alle Bilder wie bewährt in DxO PhotoLab 4 entrauscht und danach in Lightroom Classic nachbearbeitet. Alle Bilder wurden übrigens ohne Stativ aus der Hand aufgenommen. Der IS des Canon 100-400 in Kombination mit dem IBIS der R5 ist auch hervorragend.
Zunächst ein Bild einer Kohlmeise mit 400mm (bereits deutlich gecropt):

Und zum besseren Vergleich ein 100% Crop:

Geht noch mehr - mit Extendern?
Bei den Canon DSLR war beim Autofokus bei Blende f/5.6 Schluss. Nur die höherwertigen 1er Gehäuse konnten noch mit Offenblende f/8 fokussieren, dann allerdings auch nur mit den zentralen AF-Feldern. Zudem wurde das Bild im optischen Sucher dann auch arg dunkel.
Daher wäre ich früher nie auf die Idee gekommen, an einem 100-400mm noch einen Extender zu benutzen, der die Blendenöffnung noch um 1 Blendenstufe (1,4x) oder sogar 2 Blendenstufen (2x) verringert. Das ist bei den neuen spiegellosen Gehäusen nun anders. Diese ermöglichen einen Autofokus noch bei Blendenöffnungen von f/11-f/22. Das macht erst die neuen exotischen Objektive wie das RF 600mm f/11 IS und das RF 800mm f/11 IS sinnvoll einsetzbar. Nun, 800mm f/11 ginge ja auch mit dem 100-400er mit 2x Extender…
Daher habe ich nun meine vorhandenen Extender auch am EF 100-400 f/4.5-5.6L IS II USM ausprobiert. Das Ergebnis hat mich sehr verblüfft!
Zunächst eine Blaumeise mit 560mm (mit Canon Extender EF 1.4x III, bereits deutlich auf 3.600x2.400 Pixel gecropt):

Und nun ein 100% Crop (1200px breit) aus der R5:

Das sieht doch fast noch besser aus, als ohne Extender, oder? Da geht vielleicht noch mehr? Daher auch noch ein Test mit 800mm mit dem Canon Extender EF 2x III, diesmal posierte wieder eine Kohlmeise. Auch diesmal ist das Bild auf ca. 5.700x3.800px gecropt:

Und wieder zum Vergleich der 100% Crop (1200px breit):

Ich finde das Ergebnis unglaublich gut. In Zukunft habe ich keine Hemmungen, das 100-400 auch mit den Konvertern einzusetzen. Verblüffend ist auch immer wieder, was sich aus der R5 bei hohen ISO-Werten dank der Entrauschung mit DeepPrime in DxO Photolab 4 herausholen lässt, hier noch ein weiteres Beispiel derselben Kohlmeise, diesmal sogar mit ISO 8.000, wieder ein deutliche Crop (ca. 2.800x4.300px):

Und auch hier wieder ein 100% Crop:

Unglaublich, was mit den aktuellen Kameras und moderner Software nun möglich ist!
Resumée
Ich freue mich sehr über den Neuzugang in meinem Objektivpark. Das 100-400er ist deutlich kompakter als mein Sigma 60-600 oder gar mein Canon 400mm f/2.8, liefert dabei aber eine erstklassige Bildqualität. Und das sogar mit den Extendern bei bis zu 800mm Brennweite.
Zudem kann ich es auch noch an meiner bewährten EOS 5DSR einsetzen, die ich als Zweitgehäuse weiterhin gerne nutze - dort allerdings wohl nicht sinnvoll zusammen mit den Extendern. Ich freue mich weiterhin ausserordentlich über den Preisverfall der EF-Objektive und beobachte den Markt auch in Zukunft genau. Vielleicht ergibt sich da ja noch das eine oder andere Schnäppchen - ich werde berichten 😉
Zum Abschluss noch ein letztes Bild einer Sonnenblume mit dem 100-400. Auch im Nahbereich weiss es zu überzeugen:

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Hallo Gerd–Uwe,
vielen Dank für den tollen und hilfreichen Test, der mich nun auch bestärkt einen Telekonverter zu besorgen, nur bin ich mir noch unsicher ob 2x oder doch lieber den 1,4x?
Könntest du mal bei dir schauen, welchen du häufiger eingesetzt hast, das könnte das Zünglein an der Waage sein..!
Besten Dank und weiter so..
Gruss Markus
Hallo Markus,
ich setze das 100-400 nur sehr selten mit den Externdern ein, da ich auch noch das 400mm f/2.8 habe und das natürlich besser damit harmoniert. Ich habe aber gerade nachgesehen: bisher habe ich ca. 4200 Bilder mit dem 100-400er allein, 234 mit dem 1,4x III und 164 mit dem 2x III Extender aufgenommen. Wenn es nur einer der beiden sein darf, würde ich allerdings den 2x nehmen, da Du damit den größeren Brennweitenbereich von 100-800mm abdecken kannst. Die R5 und wohl auch die R6 kommt mit der dann resultierenden Offenblende von f/11 noch ganz gut zurecht. Allerdings setzt an der R5 dann bereits die Difraktion ein, so dass die Bildqualität etwas leidet. Aber wie das Bild der Kohlmeise in meinem Test zeigt, ist auch dann das Ergebnis noch durchaus vorzeigbar.
Viele Grüße,
Gerd-Uwe
Vielen Dank für die Rückmeldung, somit ist es entschieden..! 😉
So ein 400er oder das 200–400 hätte ich natürlich auch gerne – mal sehen, wann ich mir das mal leiste..
Hallo,
ich habe mir kürzlich eine R6 gekauft, bin kein Berufsprofi… Muss reichen 🙂
Habe auch das EF 100-400mm f4,5-5,6 L IS II USM und bin von der Bildqualität begeistert - und das in der Vergangenheit mit einer EOS 90D. Nun werde ich mir mal doch den 2x Extender besorgen und bin gespannt.
Danach werde ich hier berichten.
Viele Grüße
Der Tobi
Hallo Tobias,
du schreibst „und das in der Vergangenheit mit einer EOS 90D“. Wie meinst du das? Positiv an der 90D? Wird es mit der R6 noch besser?
Viele Grüße
Max
Besten Dank für den tollem Testbericht. Ich bin von drei Wochen von einer 5DIV auf die R5 umgestiegen und bin dran, mich zurecht zu finden. Bis ich gemerkt habe, dass für das Einschalten des Inbody-Bildstabis das Abmontieren des Objektivs nötig ist.…
Eines meiner Lieblingsobjektive ist das 100-400mm IS II USM. Ich besitze den 1.4 Extender und war aufgrund zahlreicher Berichte sehr skeptisch gegenüber dem 2.fach Extender. Jan Wegener meint, dass die Schärfeleistung nicht so konsistent sei. Welches sind Ihre Erfahrungen. Sind nun aus einer Bilderserie einzelne Bilder nur gut oder einzelne Bilder schlecht? Empfehlen Sie den zweifach Konverter oder soll ich mir für ein paar hundert Euro mehr das RF 800mm erwerben?
Ich freue mich auf Antworten zu meinen Fragen.
Beste Grüsse, Martin
Hallo Martin,
der Inbody-Bildstabilisator (IBIS) wird bei IS-Objektiven wie dem 100-400 IS automatisch ergänzend zum Objektiv IS aktiv, wenn dieser eingeschaltet wird. Nähere Infos dazu gibt es hier. Wird der IS am Objektiv ausgeschaltet, arbeitet auch der IBIS nicht. Die Einstellung im Kameramenu hat nur bei NICHT optisch stabilisierten Objektiven einen Effekt, deshalb ist dieser bei IS-Objektiven auch ausgegraut.
Das 100-400 IS II ist auch mit dem 2fach Konverter gut einsetzbar, ein Beispiel dazu findet sich ja in meinem Bericht. Ob das RF 800/11 da wesentlich bessere Ergebnisse bringt, weiss ich nicht. Die Lichtstärke ist bei beiden Lösungen mit f/11 jedoch bereits deutlich in einem Bereich wo die Beugungsunschärfe zuschlägt. Bei 800mm Brennweite ist die Bildqualität zudem häufig auch durch Luftflimmern stark beeinträchtigt. Ich würde eher zur Konverter-Lösung tendieren, die ist flexibler als ein weiteres Objektiv.
Viele Grüße,
Gerd-Uwe