Wie in meinem letzten Beitrag bereits erwähnt, habe ich die neue Canon EOS R5* bestellt. Somit musste mein Sony System nach gut 6 Jahren nun wieder weichen. Ich habe daher meinen Sony-Bestand über eBay inzwischen vollständig in gute Hände weiterverkauft.
Warum die Canon R5 und warum überhaupt spiegellose Systemkameras?
Ich halte die spiegellosen Systemkameras für die natürliche Evolution in der Digitalfotografie. Ähnlich der Entwicklung in der Textverarbeitung und im Desktop-Publishing geht es beim Fotografieren darum, bereits bei der Aufnahme möglichst exakt zu sehen, wie das endgültige Bild aussieht.
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Dies war ja zu analogen Filmzeiten auch die Triebfeder zur Entwicklung der SLR (single lens reflex), der einäugigen Spiegelreflexkamera. Diese ermöglichte erstmals den parallaxefreien Blick durch dieselbe Optik, mit der auch die endgültige Aufnahme gemacht wird. Dazu wird jedoch eine ausgefeilte Mechanik benötigt, die zum einen exakt sein muss, um die saubere Entfernungseinstellung über das mit Spiegel und Prisma umgeleitete Mattscheibenbild zu ermöglichen. Andererseits muss sie sehr schnell vom Sucherbetrieb in den Aufnahmemodus und wieder zurück wechseln können und das mit möglichst wenigen Erschütterungen, um Verwackelungen zu vermeiden. Für die aktuell in den Kameras eingesetzten Phasenkontrast-Entfernungssensoren wird sogar noch ein zweiter beweglicher Hilfsspiegel benötigt. Das alles ist Feinmechanik in Reinkultur!
Zugegebenermaßen klappt das mit den aktuellen Kameras heute sehr gut. Die Canon Flagschiff-Kamera 1 DX Mark III erreicht damit bis zu 20 Bilder pro Sekunde im Sucherbetrieb mit Autofokus Nachführung! Allerdings haben die aktuellen Kameras durch die verbauten lichtstarken Mattscheiben durchaus auch ihre Limitierungen. Die eingebauten Fresnell-Linsen in den Mattscheiben erhöhen zwar die Helligkeit des Sucherbildes, nutzen aber bei hochlichtstarken Objektiven nicht dessen gesamte Öffnung aus.
Somit ist es z.B. mit dem wunderbaren EF 85mm F1.2L* nicht möglich, die exakte Schärfentiefe im Sucher zu beurteilen. Auch eine manuelle Fokuseinstellung wird so zur Glücksache. Effektiv liegt im Sucherbetrieb bei meiner 5DS R die maximal genutzte Blendenöffnung bei ca. f/2.8. Das kann man selbst testen, indem man die Abblendtaste beim Blick durch den Sucher betätigt: erst bei Blendenöffnungen unter 2.8 wird das Sucherbild dunkler. Auch das shiften mit Tilt/Shift Objektiven, wie meinem TS-E 17mm f/4L, zeigt massive Vignettierungen im optischen Sucher. Brauchbar ist es an den SLR-Bodies eigentlich nur im Live-View.
Mit herkömmlichem Film wäre die SLR sicher auch weiterhin das optimale System. In der Digitalära ist es jedoch jetzt möglich, die erstellten Aufnahmen unmittelbar zu sehen. Warum sollte daher weiterhin auf das komplizierte und fehleranfällige mechanische Spiegelsystem gesetzt werden? Bereits seit einigen Jahren beherrschen viele Digitalkameras das Live-View System über die rückwärtigen Monitore. Für statische Aufnahmen auf einem Stativ war das häufig auch bereits gut zu verwenden. Nachteilig war jedoch die geringe Auflösung des Bildes auf den kleinen Displays, die bei Sonnenschein kaum ablesbar waren, sowie der meist sehr langsame Autofokus.
Der elektronische Sucher
Ein großer Schritt war daher die Entwicklung von brauchbaren elektronischen Suchern. Hier hat Sony mit den SLT Kameras bereits seit 2010 Erfahrung. Da ich schon lange ein spiegelloses Gehäuse für mein umfangreiches Canon System haben wollte und Canon jahrelang den Trend verschlafen hatte, habe ich somit im Jahr 2013 meinem Fotokoffer eine Sony 7R mit Metabones Objektivadapter für Canon Objektive hinzugefügt. So hatte ich für „langsame“ Aufnahmen eine hohe Auflösung (damals bereits 36 Megapixel) zur Verfügung und die Arbeit mt dem TS-E machte auf einmal richtig Spass. Die Sucher-Auflösung in der Ur-7R betrug nur XGA (1024x768 Pixel), war aber bereits brauchbar. Nach und nach wechselte ich zur 7R II und 7R III.
Die spiegellosen Sony Kameras haben gezeigt, dass sie nun eine sehr gute Alternative zu den klassischen DSLR Kameras bieten. Die anfängliche Nachteile sind ausgeglichen, teilweise übertreffen die spiegellosen Kameras bereits die DSLR. So ist an der Sony a9 der Autofokus inzwischen genauso schnell wie bei den schnellsten SLR Gehäusen und das bei ebenfalls 20 Bildern pro Sekunde und mit Nachführung des AF auf dem Motiv und einer Augenerkennung mit sehr breiter Abdeckung des Sucherbildes. Und im Gegensatz zur 1 DX Mark III hat das Sucherbild keinen Blackout!
Auch der elektronische Sucher wurde immer hochauflösender. Die aktuellen Kameras haben inzwischen eine Sucher-Auflösung von 1.600 x 1200 Pixeln, das ist von einem optischen Sucher kaum noch zu unterscheiden. Und man sieht im Sucher das tatsächliche Bild inclusive der über- oder unterbelichteten Bereiche!
Die Sony-Kameras wurden immer besser und bei Canon tat sich - nichts.
Dann kam vor zwei Jahren endlich die EOS R und kurz danach die RP. Beide Kameras waren meinen Sony 7R-Gehäusen jedoch weiterhin deutlich unterlegen, so dass ich zuletzt mit dem Erscheinen der 7R IV bereits laut über einen kompletten Wechsel zu Sony philosophiert hatte. Lediglich mein bestehender umfangreicher Objektivbestand, meine hochauflösende 5DS R und die bereits insgesamt gut funktionierende Zusammenarbeit meiner aktuellen Sony Alpha 7R III (mit dem Sigma MC-11 EF-E Adapter) mit meinen Canon Objektiven (und insbesondere mit dem Sigma 60-600 HSM) hielt mich davon ab.
Aber jetzt sind die Karten wieder neu gemischt: Die Canon EOS R5* ist endlich auf der Höhe der Zeit und ich kann wieder vollständig zu Canon zurückkehren. Nicht dass die Sony 7R III / IV Kameras dadurch schlechter würden - ich habe jedoch nunmal sehr viele und hochwertige Canon Objektive sowie eine EOS 5DS R* und da passt ein Canon Gehäuse natürlich besser hinein. Insbesondere der Autofokus funktioniert dann mit allen Objektiven wieder nativ. Die 5DS R werde ich (zunächst) auch weiterhin behalten. Welches Gehäuse wofür besser geeignet ist, werde ich dann noch herausfinden und hier berichten. Wäre ich bereits komplett bei Sony, würde ich allerdings sicher weiter dort bleiben.
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