17. 06. 2025 - Die Westfjorde
Wir haben uns entschieden, in die Westfjorde zu fahren. Als erstes Ziel haben wir uns den Dynjandi Wasserfall ausgesucht. Das ist eine Strecke von immerhin 200km! Und wir haben auf der isländischen Traffic-Website auch extra geprüft, ob die Strassen für uns befahrbar sind, aber alles war grün.
Die Westfjorde (Vestfirðir) sind Islands abgelegenste Region – fast eine eigene Insel, nur über einen schmalen Landhals mit dem Rest des Landes verbunden. Trotz ihrer Fläche von fast 9.000 km² leben hier nur rund 7.000 Menschen, weniger als zwei Prozent der Bevölkerung. Die extreme Abgeschiedenheit hat viele Orte entvölkert, ganze Halbinseln wie Hornstrandir sind im Winter gänzlich unbewohnt.
Die Küstenlinie ist spektakulär: Rund ein Drittel der gesamten isländischen Küste entfällt allein auf diese Halbinsel. Die tief ins Land reichenden Fjorde machen kurze Wege fast unmöglich – eine Hin- und Rückfahrt an einem Tag? Kaum denkbar. Viele Straßen sind Schotterpisten, im Winter oft unpassierbar. Früher retteten Schutzhütten mit Notvorräten Reisenden das Leben.
Historisch waren die Westfjorde ein Schmelztiegel: Bereits im 17. Jahrhundert gründeten baskische Walfänger hier Stationen und entwickelten sogar eine Mischsprache aus Baskisch und Isländisch, bevor andere Europäer folgten.
Heute entdeckt die Region ihre Zukunft im Tourismus. Der 100 Meter hohe Dynjandi, der größte Wasserfall der Westfjorde, gilt als verborgenes Juwel. Auch der Angeltourismus boomt: Vor der Küste lassen sich Dorsch, Heilbutt und Steinbeißer fangen – ein Paradies für Sportfischer.
Die Westfjorde sind damit ein Ort voller Gegensätze: abgeschieden und rau, aber reich an Geschichten, Naturwundern und stiller Schönheit.
Bis wir aber am Wasserfall angekommen waren, verging sehr viel Zeit, weil wir auf dem Weg immer wieder unfassbar tolle Ausblicke hatten. Man fährt an den zahlreichen Fjorden entlang, die ganze Gegend ist wild und wunderschön. Die Straße war gut zu befahren, allerdings gab es häufig auch Schotterpisten. Insgesamt war aber sehr wenig Verkehr. Hier einige Impressionen von der Fahrt:





Die Gegend war menschenleer, aber Schafe gab es überall.
Schafe - nun sind wir schon viele Tage unterwegs. Immer wieder haben wir sie am Wegrand gesehen, mehrfach haben wir für sie angehalten. Auf Island gibt es mehr Schafe als Einwohner. Sie stehen überall in kleinen Gruppen, sehr häufig ein Muttertier mit zwei Jungen. Nun stand eine kleine Gruppe sehr fotogen an einer Böschung und ich habe sie, während sie neugierig zu uns herüber sahen, auch endlich fotografiert:


Gegen 16:00 Uhr erreichten wir dann schließlich den eindrucksvollen Dynjandi Wasserfall.
Der Dynjandi („der Dröhnende“) ist der größte Wasserfall der Westfjorde und gilt als einer der schönsten Islands. Über 100 Meter stürzt er in mehreren Kaskaden in die Tiefe – und erinnert mit seiner Form an eine breite Treppe oder sogar an ein Brautkleid.
Besonders reizvoll: Wer Dynjandi besucht, erlebt nicht nur einen Wasserfall, sondern gleich eine ganze Reihe kleinerer Fälle. Auf dem Weg hinauf begegnet man sechs weiteren Wasserfällen, die zusammen das eindrucksvolle Naturschauspiel komplett machen.
Früher war der Dynjandi so abgelegen, dass nur wenige Reisende den Weg fanden. Heute ist er ein Highlight für alle, die die Westfjorde besuchen – und dennoch wirkt er im Vergleich zu den bekannten Fällen im Süden Islands fast wie ein Geheimtipp.
Das Wetter war zwar trüb, doch die Szenerie blieb beeindruckend. Auf dem Weg zum Wasserfall wurden wir unentwegt von penetranten Mücken attackiert, hier bewährten sich erstmals unsere mitgebrachten Mückennetze.






Weiter ging es zu einem alten Schiffswrack am Patreksfjord. Hierher fuhr man über eine Hochebene (Kleifaheiði) zum Fjord. Das Schiff ist bzw. war die Garðar BA 64.
Das 1912 in Norwegen gebaute Stahlschiff war eines der ersten hochseetauglichen Trawler und diente Jahrzehnte lang der Fischerei vor Island.
Nach über 70 Jahren auf dem Atlantik wurde das Schiff 1981 außer Dienst gestellt – nicht versenkt, sondern bewusst am Strand von Skápadalur nahe Patreksfjörður auf Grund gesetzt, wo es bis heute liegt.
Heute ist die Garðar das älteste Stahlschiff Islands und ein beliebtes Fotomotiv: Von Wind, Salz und Zeit gezeichnet, erzählt sie von den harten Tagen der Hochseefischerei und ist gleichzeitig ein Mahnmal für den Wandel der isländischen Fischereikultur.





An unserem Wohnmobil wurden wir immer wieder von einem Vogel attackiert, der Scheinangriffe auf uns flog. Es war ein Austernfischer, ein Bodenbrüter, der sein nahegelegenes Nest verteidigte:


Da es bereits nach 19:00 Uhr war, haben wir anschließend einen Campingplatz für die Nacht ausgewählt, die Melanes campsite in der Nähe von Rauðasandur. Die Straße führte ein Stück über den Berg, mit der roten Erde erinnerte sie uns an Afrika. Die letzte Strecke war abenteuerlich steil und grenzwertig für unseren langen Camper mit Vorderradantrieb zu befahren. Wir sind aber doch gut herauf und herabgekommenn.


Unten angekommen hatte man einen tollen Blick auf eine Lagune mit sehr weitem hell rötlich / gelben Strand. Das weckte geradezu karibische Assoziationen. Nach den bisherigen schwarzen Lavastränden jedenfalls ein sehr ungewohnter Anblick:


Wir fuhren an der Küste entlang zunächst zum Örtchen Rauðasandur. Dort stand wieder eine hübsche kleine Holzkirche.

Es gab dort an dem tollen Strand auch ein nettes Café mit Terrasse, aber das hatte leider gerade eine Stunde zuvor geschlossen. Schade!
Wir fuhren dann zu unserem geplanten Campingplatz Melanes. Wir hatten zunächst wegen der Größe Bedenken, da im Internet stand, dass er über 300 Stellplätze verfügen soll. Dort angekommen, waren wir aber völlig begeistert. Auf der großen Grasfläche gab es mit uns gerade insgesamt 5 Camper in weitem Abstand voneinander - teils in Zelten, teils in Campingbussen. Unser Wohnmobil war mit Abstand das größte Fahrzeug. Wir fanden einen sehr schönen Stellplatz in Strandnähe und genossen unser Abendessen mit Strand- und Meerblick.



Der tolle Platz wurde von einem Italiener geführt, er sprach mit den vor uns eincheckenden Gästen italienisch, ganz ungewohnte Töne hier im Norden. Der Platz bietet keine Ver- und Entsorgung und nur wenige Stromstellplätze am Rand. Wir haben einen ergattert. Die Campsite ist also eher etwas für autark Reisende. Für eine Nacht sind wir aber mit unseren Wasservorräten und der fehlenden Entsorgung der Toilette gut klargekommen. Nach dem Abendessen machten wir noch einen kurzen Strandspaziergang zum Sonnenuntergang, den wir allerdings dann rasch abbrechen mussten. Die Mücken waren auch hier eine echte Plage.

